FairStreiten - Thema Mediation
Best practice Mediation
Herzlich willkommen auf dem Infoportal von FairStreiten.
In unregelmäßigen Abständen berichtet das Team hier über Entwicklungen zu den Themen Mediation, Ausbildung und Familie. Aktuelle Themen und Trends aus der Mediationsszene stehen dabei im Vordergrund. Adressat:innen dieser Informationsseite sind betroffene Familien, Interessierte und Auszubildende. Ein besonderes Anliegen ist die Unterstützung der ausgebildeten Mediator:innen bei deren Professionalisierung. Über Rückmeldungen und Weiterempfehlungen freut sich das Team von FairStreiten (Kontaktpersonen siehe Hauptseite). Die jeweiligen Autor*innen der Beiträge finden Sie am Ende der Texte. Vielen Dank für Ihr Interesse.
Nimby
Alternative Windenergie – wunderbare Idee, aber bitte keine Windkrafträder in meiner Nähe. Solarenergie – auch ganz wunderbar, aber bitte keine Solarfelder auf den Feldern nahe unserem Spazierweg. Elektrotrassen vom Norden in den Süden der Republik – absolut notwendig, aber bitte nicht durch unser geliebtes Tal. Und bitte keine Digitalmasten in unserer Nachbarschaft. Das kennen wir alle, die ethische, ästhetische und politische Position, die darauf bedacht ist, Probleme nicht im unmittelbaren Umfeld zu ertragen. Der deutsche Begriff dafür lautet Sankt-Florians-Prinzip. Heute benutzt man eher das englischsprachige Akonym Nimby für Not in my backyard. Der aus den USA stammende Begriff bezeichnet eine individualisierte Geisteshaltung von Personen, welche die Vorteile moderner Technologie zwar nutzen, im eigenen Umfeld aber keine Nachteile in Kauf nehmen wollen. Diese Nachteile versuchen Nimbys – so werden die Verfechter dieser Haltung genannt - auf andere Mitglieder der Gesellschaft abzuwälzen. Das Resultat sind Konzentrationen von umweltschädlichen Industrien und anderen Emissionen in wirtschaftlich schwächeren oder dünner besiedelten Wohngegenden.
Derartige Phänomene sind nicht neu. Und neu sind auch nicht die Lösungsansätze mittels Mediation. So fand von 2000 bis 2005 das wohl umfangreichste in Europa jemals durchgeführten Mediationsverfahren statt. Rund 50 Verfahrensbeteiligte (Bürgerinitiativen, Anrainergemeinden, Fluggesellschaften, Flugsicherung etc.) haben auf der Suche nach einvernehmlichen Lösungen tausende Stunden an gemeinsamer Arbeit investiert. Abgeschlossen wurde dieser Prozess mit einem zivilrechtlich verbindlichen Mediationsvertrag, der Einrichtung eines sogenannten Dialogforums und der Gründung eines Umweltfonds. Die Flughafen Wien AG hat dabei Aufgaben übernommen, die - im Interesse der Menschen, die um den Flughafen leben – weit über das gesetzlich vorgeschriebene Ausmaß hinausgehen. Dieses Mediationsverfahren, das wiederholt Gegenstand von Veröffentlichungen war, zeichnete sich durch einen ernsthaften Dialogprozess mit sämtlichen Beteiligten aus. Erklärtes Ziel des Verfahrens war, gemeinsam möglichst umweltschonende, mehrheitlich anerkannte Lösungen für die Menschen, die Umwelt und die Wirtschaft zu erarbeiten. Anrainer, die sich anfangs eindeutig als Nimbys definiert hatten und darauf bestanden, dass eine weitere Startbahn gerne woanders gebaut werden könne, aber auf keinen Fall in Wien, haben sich nach anfänglichem Zögern engagiert an dem Verfahren beteiligt. Retrospektiv haben alle Beteiligten bestätigt, dass die frühzeitige Einleitung des Mediationsverfahrens hilfreich war. So konnten sie von Anfang an mit ihren Interessen und Bedürfnissen Gehör finden.
Wie wir alle wissen und wie es jetzt von der Politik für die kommende Legislaturperiode ausdrücklich formuliert wurde, wird eine Energiewende weg von fossilen Brennstoffen zu Wind- und Solarenergie mit einer enormen Zunahme des Stromverbrauchs verbunden sein. Vergleichbares gilt für den notwendigen Ausbau der Kommunikationsnetze. Da kann man sämtlichen Beteiligen nur wünschen, dass möglichst frühzeitig mittels Mediation versucht wird, einvernehmliche Regelungen zur Dekarbonisierung und Digitalisierung zu finden und alle Nimbys in diese Verfahren einzubeziehen. Sonst wird es lang und bitter. Bis die Gerichte über alle Fragen entscheiden und letztendlich wie – das dauert viele Jahre und garantiert für die Beteiligten keinerlei Erfolg ihres Anliegens.
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Wespen auf Pflaumenkuchen – was hat das mit Mediation zu tun?
Im Spätsommer kommen sie wieder, die lästigen Wespen, die mit untrüglicher Sicherheit jeden leckeren Obstkuchen auf der Terrasse wittern oder in der Bäckereitheke hinter der Scheibe der Glasvitrine ihr Unwesen treiben. Das sind die Momente, in denen wir Imker – ich bin einer von ihnen – Klagen über die angebliche Lästigkeit von Bienen ertragen müssen. Wespen sind wie Bienen Hautflügler, und allzu leicht werden alle gelbfarbenen Flügelwesen über einen Kamm geschert. Dabei gibt es natürlich enorme Unterschiede zwischen den einzelnen Hymenotperen wie Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen. Aber wenn man Angst vor ihnen hat, schwindet die Freude an der Differenzierung. Bienen jedenfalls, insbesondere Honigbienen der bei uns üblicherweise gehaltenen Art der Carnica, haben keinerlei Interesse am Pflaumenkuchen, sondern interessieren sich für den in Blüten vorkommenden Nektar bzw. den Honigtau von Bäumen.
Werden Bienen in der Stadt gehalten, so z.B. im Garten eines Einfamilienhauses, im Kleingarten oder auf dem Dach, stellt sich die Frage, ob Nachbarn dieses dulden müssen. Nachbarn haben nach der Rechtsprechung Einwirkungen auf ihr Grundstück, die vom Bienenflug ausgehen, ohne Weiteres zu dulden, wenn sie nur zu unwesentlichen Beeinträchtigungen führen. Entscheidend ist also die Frage, wie die „Wesentlichkeit“ der Beeinträchtigungen zu beurteilen ist. Auch wenn die Imkerei heute von einem gewissen Wohlwollen begleitet ist, gibt es Bedenken gegen Bienenhaltung in Wohngebieten. So verständlich der Wunsch sein mag, Bienen im Garten oder auf dem Dach zu halten, so gut kann man auch die Bedenken von Nachbarn verstehen. Oft hilft das direkte Gespräch oder ein Glas Honig als Dank für das Verständnis. Ist die Situation aber verfahren, kann eine Mediation hilfreich sein. Dabei wird es dann darum gehen, den Beteiligten als Mediator*in mit balancierter Wertschätzung zuzuhören, auf der einen Seite dem Wunsch nach Bienenhaltung und auf der anderen den Bedenken dagegen. Ein Ausgleich gelingt nicht immer. Oft sind die Bedenken aber auch mit Unwissenheit verbunden, so z.B. mit der Angst vor Wespen auf dem Kuchen oder mit Horrorgeschichten von Killerbienen, die mit den hiesigen Gegebenheiten gar nichts zu tun haben. Einen Bericht über einen Praxisfall können Sie hier lesen (https://www.paul-partner.eu/w/wp-content/uploads/2021/09/Christoph-C.-Paul_Bienen-und-Nachbarschaft_DM_IV-2021.pdf). Auch die im Streitfall angerufenen Gerichte werden letztendlich versuchen, einen Ausgleich zwischen den Beteiligten zu finden. Da macht es doch Sinn, dies sogleich zu probieren und nicht erst lange und vergiftete wechselseitige Schriftsätze zu verfassen. Auch hier gilt: Je früher es in die Mediation geht, desto besser.
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Was soll man im Hinblick auf die Förderung der Mediation wählen?
Als Mediator*in oder an Mediation Interessierte/r möchte man anlässlich der bevorstehenden Wahlen zum Bundestag oder zu den Länderparlamenten doch gerne sein Kreuz an der richtigen Stelle machen und diejenigen Parteien bzw. Kandidat*innen wählen, die neben den (im wahrsten Sinne des Wortes) brennenden Fragen der Zeit und der Welt auch Verfahren zur alternativen Konfliktbeilegung unterstützen bzw. fördern wollen. Ein Blick in die Wahlprogramme gibt nur insoweit Aufschluss über die Haltung der zur Wahl antretenden größeren Parteien, als dass bei fast allen Allgemeinplätze zu finden sind, die man mit etwas gutem Willen als Zeichen für ein gewisses Wohlwollen gegenüber dem Verfahren der Mediation deuten kann – mehr nicht. Immerhin: Die FDP-Fraktion im Bundestag hat am 5. November 2020 einen Antrag zur Stärkung der Mediation vorgelegt (19/23936). Wie es darin heißt, leistet die Mediation als alternative Streitbeilegungsmethode einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Gerichte. Der Bundestag soll die Bundesregierung laut Antrag unter anderem auffordern, „eine Digitalkompetenz als Mindestanforderung für die Ausbildung der zertifizierten Mediatoren festzuschreiben, jährlich über Änderungen und Entwicklungen in der Mediationslandschaft zu berichten, ein Mediatorenregister einzurichten und Mediationen und andere Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung im Rahmen von Streitigkeiten in der Baubranche stärker zu fördern und in der Bevölkerung bekannter zu machen.“ Das ist doch schon eine ganze Menge.
Aufschluss über die Haltung der im Bundestag vertretenen Parteien zur Mediation gibt ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des 2012 in Kraft getretenen Mediationsgesetzes. Besonders hervorgetan hat sich damals die Abgeordnete Ingrid Hönlinger (Bündnis 90 / Die Grünen), die mit großer Sachkenntnis und Verhandlungsgeschick am Gesetzgebungsverfahren mitgewirkt hat. Aber auch die anderen im Bundestag vertretenen Parteien – die Damen und Herren von der AfD saßen damals noch nicht im Bundestag – waren ausgesprochen engagiert. Im Rechtsausschuss – ich war damals einer der dort angehörten Experten – haben sich die Abgeordneten von CDU/CSU, SPD, Linke, FDP und den Grünen gleichermaßen offen für ein möglichst gutes und praktikables Mediationsgesetz eingesetzt. Eine besondere Präferenz der einen oder anderen Partei war damals nicht zu erkennen.
Eine befriedigende Wahlempfehlung unter dem Gesichtspunkt der Förderung der Mediation lässt sich somit nicht abgeben. Wie so oft wird es darauf ankommen, wie die einzelnen Abgeordneten in der kommenden Legislaturperiode für Initiativen zur Unterstützung von alternativen Konfliktbeilegungsverfahren offen sind. Und es liegt in unserer Hand, diese Initiativen anzustoßen. Die Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation hat sich daher mit Wahlprüfsteinen an die meisten großen Parteien gewendet. Vielleicht haben Sie ja Lust, Ihre Direktkandidaten nach ihrer Meinung zu den Themen zu fragen (https://www.bafm-mediation.de/blog/aktuelles/).
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Wie halten wir es mit der Religion?
Früher war es üblich, sich eine/n Partner*in innerhalb der eigenen religiösen Gemeinschaft zu suchen. Das ist lange her. Heute spielt die religiöse Herkunft bei der Partnerwahl in unserem Kulturkreis selten eine Rolle. Ähnliches gilt für die religiöse Erziehung der gemeinsamen Kinder. Sobald sich aber die Eltern trennen, kann sich dies sehr schnell ändern. In Zeiten der Trennung besinnen sich die Betroffenen häufig ihrer Wurzeln, ihrer Herkunft, ihrer Tradition, ihrer Sprache und ebenso ihrer religiösen Prägung. Plötzlich werden Werte bedeutsam, die in den guten und gemeinsamen Zeiten eher vergessen schienen.
Ich erinnere mich an eine Mediation, in der eine aus der Nähe von München stammende Mutter und ein aus Hamburg kommender Vater um die Taufe ihrer beiden Kinder gerungen haben. Die Mutter war katholisch, der Vater evangelisch, und beide sahen sich im Zusammenhang mit ihrer Trennung mit den religiösen Erwartungen ihrer jeweiligen Herkunftsfamilien konfrontiert. Ich weiß nicht mehr, zu welchem Ergebnis beide kamen, nur dass sie sich in mehreren Sitzungen ausschließlich mit diesem Thema befasst haben. Beide waren über die Heftigkeit dieses Konfliktes erstaunt. Nie im Leben hätten sie erwartet, dass dieses Thema einmal ein solches Streitpotenzial entfalten würde.
Leben Eltern dauerhaft getrennt, dann ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich – so die gesetzliche Regelung in § 1687 BGB. Und Fragen der Religion sind solche Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Die Gewährleistung gemeinsamer elterlicher Verantwortung ist ja oft schon bei funktionierender Elternbeziehung eine Herausforderung. Gehen die Eltern getrennte Wege, werden auf den ersten Blick unscheinbar anmutende Themen zu großen Konflikten, zumal die Frage der Religion viel mit Herkunft und familiärer Tradition zu tun hat. Hier sind wir Mediator*innen gefragt, um mit balancierter Wertschätzung für beide Eltern und beide Identitäten auszuloten, wie eine Beilegung gestaltet werden kann. Es gibt eben nicht „ein bisschen Taufe“, sondern nur ein Entweder-Oder. Was gab es in der Vergangenheit zu dieser Thematik für Absprachen? Warum sind die Ansichten der Großeltern plötzlich wieder so bedeutsam? Was werden Ihre Kinder in einigen Jahren dazu sagen? Wollen Sie die Frage der Religion vielleicht vertagen, bis die Kinder 14 Jahre alt sind und dazu mitbestimmen können?
Hätten Sie als Leser*in gedacht, dass man sich um die Frage der Religion im Rahmen von Trennung und Scheidung so viele grundlegende Gedanken machen kann?
Autor: Christoph C. Paul
Mit Vision und Tiefgang Die Zeitschrift „perspektive mediation“
Seit fast 20 Jahren gibt es die Zeitschrift „perspektive mediation“, die sich den Untertitel „Beiträge zur Konfliktkultur“ gegeben hat, eine „interdisziplinäre unabhängige und länderübergreifende Plattform für Mediation“. Die Zeitschrift ist eine graphisch sehr anspruchsvoll gestaltete Vierteljahrsschrift, die als auch künstlerisch ambitioniertes Periodikum entstand und vom Verlag Österreich in Wien herausgegeben wird. Kennzeichen der pm ist vor allem anderen ihre Internationalität, das Herausgeberinnentrio ist österreichischer, schweizer und deutscher Herkunft, in der Redaktion sind Mitglieder aus Berlin, Zürich, Salzburg und München ebenso wie aus Boston und Honkong. Die Zeitschrift ist ein Leseangebot für den gesamten deutschsprachigen Raum, die Artikel geben die Debatte um Mediation und die angrenzenden Bereiche wieder. Neben deutschen erscheinen inzwischen auch englische, französische und spanische Beiträge, denen eine Kurzübersetzung beigegeben ist. Ein Kritiker urteilte, die pm habe Tiefgang und Vision…
Die einzelnen Hefte enthalten jeweils ein Schwerpunktthema und einzelne Beiträge zu – wie das Impressum schreibt - „Theorie und Praxis der konstruktiven Konfliktbearbeitung, insbesondere auch der Mediation“. Es wird also ein sehr weites Verständnis von Konfliktfeldern in den Blick genommen, internationale Friedensbemühungen ebenso wie Fragen der Methodenvielfalt in der Entwicklung der Mediation - gern immer mit dem Blick über die Grenzen der Länder und der Disziplinen. Die letzten Ausgaben beschäftigten sich mit „Beruflichen Identitäten“, dem Selbstverständnis und dessen Entstehung als Mediatorinnen, mit dem Thema „Unwillkürliche Prozesse“ im Rahmen des Mediationsgeschehens, der Wandlung der Professionalität in „Schöne neue Arbeitswelt“ sowie den politischen Entwicklungen „Beherzt hinschauen und handeln“ sowie „Sorge um die Demokratie“. Wie verstehen wir unsere Tätigkeit als Mediatorinnen, wo nehmen wir Einfluss und wieweit sehen wir uns auch aufgrund der mediatorischen Prinzipien und ethischen Orientierungen verpflichtet zu demokratischen Positionen?
Es gibt ein Print-Abonnement, dessen Layoutgestaltung wirklich hervorhebenswert ist. Alle Nummern seit dem Erscheinen der Zeitschrift sind einzeln über die eLibrary https://elibrary.verlagoesterreich.at/journal/PM im PDF-Format erhältlich. Und gerade für Studierende sind viele Beiträge geeignet hinsichtlich ihrer Studien- und Abschlussarbeiten im Themenbereich der Konfliktbearbeitung und Mediation.
Etliche Ausbilder*innen von Fairstreiten sind bei der pm engagiert und ansprechbar für Themenideen und Nachfragen.
Autorin: Sabine Zurmühl M.A., Mediatorin (BAFM)
Wie wär’s denn mal mit einem Blick auf die grenzüberschreitende Familienmediation?
Familien werden bunter, vielfältiger und internationaler. Und damit sind wir schon beim Thema: Familienkonflikte mit grenzüberschreitenden Bezügen haben ihre Besonderheiten. Die Konfliktbeilegung im Rahmen dieses Spektrums nennt sich Cross-Border Family Mediation (CBFM). Die Besonderheiten dieser Fälle sind in der sogenannten Breslauer Erklärung erfasst, wonach die Mediator*innen in Co-Mediation nach den folgenden Prinzipien arbeiten: Bi-professionell (juristisch und psychosozial), Bi-kulturell (aus beiden betroffenen Kulturkreisen), Bi-sprachlich (beide betroffenen Sprachen) und Bi-gender (also i.d.R. Frau/Mann). Organisatorisch widmet sich der in Berlin ansässige gemeinnützige Verein MiKK - Internationales Mediationszentrum für Familienkonflikte und Kindesentführungen, diesem Thema. Der Verein wurde von engagierten Mediator*innen, Anwält*innen, Richter*innen und Verfahrensbeiständen mit Unterstützung der Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation und dem Bundesverband Mediation gegründet. MiKK unterhält eine mehrsprachige Beratungsstelle, gewährleistet Qualitätssicherung durch CBFM-Trainings, vermittelt und organisiert Mediationen, betreibt Öffentlichkeitsarbeit und beteiligt sich an Forschungsprojekten zur grenzüberschreitenden Mediation.
MiKK steht für ein spannendes und wachsendes Feld der Familienmediation, zumal die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen wie dem Bundesministerium der Justiz und des Verbraucherschutzes, dem Bundesamt für Justiz als Zentraler Behörde, mit Institutionen der Europäischen Union, der Haager Konferenz sowie Zentralen Behörden und Universitäten in Europa und weltweit die Schnittstellen zu Justiz und Politik verdeutlichen.
Einmal pro Jahr gibt es im Sinne fortgesetzter Qualitätssicherung ein sogenanntes ongoing training. Vieleicht wollen Sie sich das spannende Programm anschauen oder sogar daran teilnehmen : https://www.mikk-ev.de/s-content/uploads/2021/06/Programme_Ongoing_2021_FINAL.pdf.
Der Bereich der Cross-Border Family Mediation ist ein unter vielfältigen Aspekten lohnendes Betätigungsfeld für Familienmediator*innen. Schauen Sie doch einfach mal auf die Webseite des Vereins (https://www.mikk-ev.de). Oder sprechen Sie mich an.
Autor: Christoph C. Paul
Braucht Familie Grupp eine Mediation?
Wir kennen sie alle, die zur besten Sendezeit vor der Tagesschau ausgestrahlte Werbung der Firma Trigema, die mit ihrer Textilproduktion am Standort Deutschland und dem Schimpansen mit der Banane in der Hand wirbt. Und jetzt können wir lesen, dass der Seniorchef Wolfgang Grupp nach seinem 79. Geburtstag die Geschicke seines erfolgreichen Unternehmens in die Hände seiner Kinder legen will. Wenn man der Presse glaubt, ist nicht klar, wer von den beiden Kindern zukünftig die Geschicke der Firma bestimmen werden: Die Tochter Bonita oder der Sohn Wolfgang oder beide zusammen. Und weiter heißt es in einigen aktuellen Veröffentlichungen, dass Konflikte vorherzusehen sind.
Genau dies sind Fragen der Mediation im Rahmen von Unternehmensnachfolge. Innerhalb der Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation (BAFM) befasst sich eine Fachgruppe Unternehmensnachfolge mit diesem Thema. Welche Konflikte innerhalb der Unternehmer-Familie werden bei einer Nachfolgeregelung offenbar, wie lassen sich diese bearbeiten und beilegen, welche unternehmerischen Entwicklungen muss man dabei im Blick haben und wie kann das, was innerhalb der Familie geschaffen wurde, von der nächsten Generation weiterentwickelt werden bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Unterschiedlichkeiten der nachfolgenden Unternehmer*innen?
Die Grundlagen für Mediationen in diesem Bereich werden im Rahmen der Ausbildung zum/zur Familienmediator*in gelegt: Welche Ressourcen innerhalb der Familie und innerhalb des Betriebes können für die Nachfolge nutzbar gemacht werden? Welche (alten) familiären Wunden gibt es vielleicht noch und was kann davon im Rahmen einer Mediation bearbeitet werden? Wie lassen sich nachhaltige Regelungen für den Erfolg des Betriebes gewährleisten? Die Grundlagen für die Beantwortung dieser Fragen berühren die Schnittstellen zwischen Familie und den Generationen sowie der Verantwortung für die wirtschaftliche Gestaltung. Ein spannendes Feld der Familienmediation.
Ob Familie Grupp das auch so sieht?
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Das Mediations-Paradox
Am 11./12. Juni 2021 fand im Harnack-Haus in Berlin die AMICABLE-Konferenz statt, auf der Fragen der Anerkennung und Vollstreckung von Mediationsvereinbarungen thematisiert wurden. Mehrere Redner*innen nannten dabei das sogenannte Mediations-Paradox: Einerseits wissen immer mehr Menschen innerhalb der Europäischen Union von dem Verfahren der Mediation, andererseits wird das Verfahren aber noch nicht ausreichend genutzt. Dies soll zumindest im grenzüberschreitenden Rahmen durch eine Änderung europarechtlicher Bestimmungen gewährleistet werden. So enthält die zukünftig für Familiensachen geltende EU-Verordnung mit dem Namen Brüssel IIb eine Regelung, wonach Gerichte die Beteiligten regelmäßig auf die Möglichkeit der Streitbelegung mittels Mediation oder ähnlicher Verfahren hinweisen sollen. Damit wird die bisher in Deutschland geltende Verweisung der Gerichte in die Mediation konsequent verstärkt. Nur was bedeutet dies für die Beteiligten, wenn sie sich vom Gericht in die Mediation „geschickt“ fühlen? Und wie gehen die Mediator*innen damit um? Bleibt hier vielleicht das Prinzip der Freiwilligkeit der Mediation auf der Strecke?
Dies sind Fragen, die in einer Mediationsausbildung zu klären sind: Was brauchen Familien, die in die Mediation geschickt werden, um eigenverantwortlich und frei Regelungen zur Beilegung ihrer Konflikte zu finden? Was müssen angehende Mediator*innen lernen, um damit umgehen zu können?
Und letztendlich wird es in der Ausbildung zur Mediation darum gehen, Instrumente des Marketings zu vermitteln, damit die ausgebildeten Mediator*innen wissen, was sie tun können, um das Mediations-Paradox zu überwinden.
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Mediation am Zeitungskiosk
Qualitätsmanagement basiert auf verschiedenen Prinzipien. Bei der Mediation ist dies natürlich zunächst die Ausbildung, die wiederum auf einer gesetzlichen Grundlage basiert. Zweites Element ist die organisatorische Einbindung in die Berufsverbände der Mediator*innen. So ist das Institut FairStreiten ein von der Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation (BAFM) anerkanntes Ausbildungsinstitut und zusätzlich sind einige unserer Trainer*innen vom Bundesverband Mediation (BM) als Ausbilder anerkannt. Der dritte, wesentliche Schritt zur Qualitätssicherung ist die Öffentlichkeitsarbeit. Dabei leisten Fachzeitschriften einen wichtigen Beitrag. Am Markt haben sich verschiedene Zeitschriften etabliert, wobei eine sogar an jedem Zeitungskiosk erworben werden kann. DIE MEDIATION heißt sie und erscheint 4 mal jährlich. Die aktuelle Ausgabe mit dem Titel „Energiewende und Bürgerbeteiligung“ ist soeben erschienen. Im Editorial heißt es dazu:
Die Polkappen schmelzen, der Meeresspiegel steigt, die Wetterextreme nehmen zu – kurz gesagt: Der Klimawandel ist deutlich wahrnehmbar. Verursacht wurde diese Entwicklung durch den Menschen. Und genau wir sind es auch, die dazu beitragen müssen, den Temperaturanstieg und den damit verbundenen Ressourcenverbrauch wieder zu senken.
Wo Energieprojekte realisiert werden sollen, entsteht stets ein Spannungsfeld zwischen Anwohnern, Unternehmen und Gemeinde. Bürger möchten mitreden, mitentscheiden, einbezogen werden – und zwar möglichst frühzeitig. Das gefällt nicht allen Beteiligten, denn dieses Vorgehen ist mit einem gewissen Aufwand verbunden. Und trotz intensiver Kommunikationen prallen bei Partizipationsverfahren Meinungen, Vorstellungen und Wünsche aufeinander. Wie es gelingt, gesellschaftliche Teilhabe erfolgreich umzusetzen, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der „Mediation“ mit dem Schwerpunktthema „Energiewende und Bürgerbeteiligung“.
Im Rahmen der Ausbildung stellen wir alle Zeitschriften zum Thema Mediation vor und überlegen gemeinsam, was jede*r Einzelne in seinem Umfeld zur Qualitätssicherung der Mediation beitragen kann.
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Versorgungsausgleich und Mediation
Je älter die Menschen, desto mehr denken sie an ihre Altersversorgung – dieser Grundsatz gilt auch in der Familienmediation. Trennen sich Paare im Alter zwischen 30 und 40 Jahren, liegt der Ruhestand in weiter Ferne. Länger verheiratete oder ältere Paare nennen in der Mediation den Ausgleich der Rentenanwartschaften hingegen häufiger für die Themensammlung. Der Ausgleich der Altersversorgung macht im Regelfall Sinn: Im klassischen Fall hat einer der Ehegatten weniger gearbeitet und die Familie versorgt und soll nun vom Gericht im Zusammenhang mit der Scheidung an der Altersversorgung des anderen Ehegatten, der mehr verdient hat, partizipieren. Da geht es schnell um viel Geld. Monatliche Rentenzahlungen summieren sich im Hinblick auf heutige Lebenserwartungen beachtlich. Aber es gibt auch reichlich Fallkonstellationen, bei denen der Ausgleich als unfair erlebt wird.
Hier bietet die Mediation ein Forum, für einen gerechten Ausgleich zu sorgen. Gesetzliche Renten, berufliche Versorgungsansprüche und Lebensversicherungen auf Rentenbasis sowie die Familien- und Lebensmodelle der Beteiligten lassen sich wunderbar in der Mediation thematisieren und zum Gegenstand einer Gesamtlösung machen. Aber Vorsicht: Die Bewertung der Anwartschaften ist nicht einfach und bedarf in der Regel der externen Unterstützung. Außerdem müssen in der Mediation erarbeitete Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich notariell beurkundet werden. Bei Einhaltung dieser Regeln ist die Befassung mit diesem Thema ein lohnender Aspekt für eine Vereinbarung zur nachhaltigen Beilegung des Familienkonfliktes. Wie dieses konkret zu bewerkstelligen ist, wird im Rahmen der Aufbauausbildung Familienmediation anhand von Beispielen vermittelt.
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Was ist eigentlich „Familie“?
Laut Wikipedia bezeichnet Familie „soziologisch eine durch Partnerschaft, Heirat, Lebenspartnerschaft, Adoption oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft, meist aus Eltern oder Erziehungsberechtigten sowie Kindern bestehend, gelegentlich durch weitere, mitunter auch im selben Haushalt lebende Verwandte oder Lebensgefährten erweitert. Die Familie beruht im Wesentlichen auf Verwandtschaftsbeziehungen.“ Spätestens seit Goethe wissen wir um die Ergänzung dieser Gemeinschaft durch Wahlverwandtschaften. Und heute, 200 Jahre später, werden noch ganz andere Modelle vom Familienbegriff umfasst wie z.B. LGBTI-Menschen, Samenspender und Leihmütter. Treten Konflikte im Rahmen solcher neuen Lebensmodelle auf, ist das zur Verfügung stehende juristische Regelwerk nicht immer passend. So fortschrittlich das Familienrecht auch sein mag, es hinkt der Realität immer etwas hinterher. Es ist daher kein Wunder, dass sogenannte Regenbogenfamilien Mediation als Verfahren zur alternativen Konfliktbeilegung besonders gerne nutzen. Auch wenn mir keine statistischen Zahlen zur Verfügung stehen – aus meiner Praxis als Mediator in Berlin kann ich berichten, dass insbesondere im großstädtischen Milieu Menschen, die in neuen Lebensmodellen leben, zunehmend an Mediation interessiert sind.
Was bedeuten dies für die Mediation und die Mediationsausbildung? Müssen die Prinzipien der Mediation unter Berücksichtigung unterschiedlicher Familienmodelle neu definiert werden? Was müssen wir Mediator*innen wissen, um den Bedürfnissen der Beteiligten gerecht zu werden? Das sind spannende Fragstellungen, die Sybille Kiesewetter und ich in der Aufbauausbildung Familienmediation thematisieren und im Rollenspiel erfahrbar machen werden.
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Hilft die Ausbildung zum/r Familienmediator*in bei der Beilegung von Konflikten in Wohnungseigentümergemeinschaften?
Zum 1. Dezember 2020 ist die Reform des Wohnungseigentumsrechts (WEG) in Kraft getreten. Danach hat sich einiges geändert, vieles wurde vereinfacht, aber einige der im Gesetz verankerten Unklarheiten bergen ein erhebliches weiteres Konfliktpotenzial. Hier hat sich in den vergangenen Jahren ein breites und interessantes Betätigungsfeld für Mediatoren eröffnet. Denn nur in der Mediation besteht die Möglichkeit eines wirklichen Interessenausgleichs zwischen sämtlichen Beteiligten, also allen Wohnungseigentümern und zusätzlich der Hausverwaltung.
Das Gesetz schafft insbesondere bei baulichen Veränderungen erhebliche Erleichterungen, wobei viele Unklarheiten bleiben. So gibt es keine Unterteilung in allgemeine Veränderungen, Instandsetzungen, Modernisierungen und modernisierende Instandsetzungen mehr. Grundsätzlich tragen diejenigen Miteigentümer die Kosten, die von der baulichen Veränderung profitieren und sie können sogar andere von der Nutzung ausschließen. Sollen alle die Kosten tragen, bedarf es einer qualifizierten Mehrheit (⅔ Stimmen und ½ aller Anteile). Wenn dieses Quorum nicht erreicht wird, können auch weitere Miteigentümer die „bauliche Veränderung“ – etwa einen neuen Fahrstuhl – (mit)nutzen, wenn sie sich mit einem angemessenen Ausgleich beteiligen. Was aber „angemessen“ ist, birgt reichlich Konfliktpotential.
In gewissem Sinne sind Eigentümergemeinschaften wie Familien: Man wohnt und wirtschaftet auf Dauer zusammen und hat teilweise gleiche und teilweise erheblich unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse. So macht es einen Riesenunterschied, ob man das Eigentum als Kapitalanlage oder als geliebtes Zuhause sieht. Emotionen spielen oft die gleiche Rolle wie in der Familie. Daher sind die Werkzeuge, die in der Ausbildung zum/r Familienmediator*in vermittelt werden, bestens nutzbar.
Aber Vorsicht: Der Umgang mit Gruppen bzw. mit einer Vielzahl von Beteiligten ist doch schon anders als eine Mediation mit einem sich trennenden Paar oder mit Geschwistern im Erbkonflikt. Da ist es hilfreich, sich entweder eine/n erfahrene/n Partner*in als Co an die Seite zu nehmen oder eine Fortbildung zu machen, die sich genau damit beschäftigt. Das Team von FairStreiten gibt dazu gerne Anregungen – sprechen Sie uns an!
Vielleicht haben Sie Lust, eine Fallbeschreibung dazu zu lesen: Hier klicken (externer Link)
Für uns Mediatoren verspricht die WEG-Reform interessante weitere Aufgabenfelder!
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Endlich Sommerferien
Als Fachanwalt für Familienrecht wusste ich immer, wann Stoßzeiten für neue Mandate waren: Nach den Sommerferien und nach Weihnachten kamen verlässlich neue Anfragen. Zu viel Nähe über die Feiertage und zu viel gemeinsame Zeit hatten die Unterschiedlichkeiten deutlich werden lassen. Da half nur der mutige Schritt zu Trennung und Scheidung und die Bitte um Unterstützung für die Begleitung bei der notwendigen Veränderung.
Und wie sieht dies bei Familienmediationen aus? Gibt es auch hier verlässliche Zyklen? Und wenn ja, sind die vielleicht anders? Nach meinen Beobachtungen ist es genau anders als bei streitigen Familienverfahren: Diejenigen Eltern, die im Rahmen einer Trennung eine einvernehmliche Regelung im Interesse ihrer Kinder wünschen, kommen vor den Sommerferien in die Mediation, weil sie die Hoffnung haben, mit Unterstützung von Mediator*innen eine gute Lösung zu finden. Denn so einfach es klingen mag, wenn sich Eltern dahingehend einig sind, dass sie sich die Ferien mit den Kindern „teilen“ wollen, so schwierig gestalten sich häufig konkrete Absprachen. Typische Mediationsthemen sind deshalb: Wer hat die Kinder in der ersten oder der zweiten Hälfte der Ferien bei sich? Wie soll die Übergabe gestaltet werden? Wohin geht die Reise? Dürfen neue Partner*innen dabei sein?
Weihnachten entfaltet in der Mediation eine ähnliche Dynamik, wobei ich manchmal mit den Eltern Mitleid habe, wenn ich sehe, wie sie sich darum bemühen, allen Wünschen einschließlich der der Großeltern gerecht zu werden. Hier kommt dann der Realitätscheck seitens der Mediator*innen zum Tragen mit der Frage, ob das logistische Meisterwerk nicht doch ein wenig anstrengend für die Kinder sei.
Ferienregelungen haben im Rahmen von Trennung und Scheidung einen großen Wert für den Prozess der Mediation. Meist gibt es gute Zeiten, an die sich in der Mediation anknüpfen lässt. Oder es wird deutlich, dass endlich die Möglichkeit besteht, die Sommerferien so zu verbringen, wie das mit den Kindern seitens eines Elternteils schon immer gewollt war. Manche Eltern haben bei diesem Thema schnell eine Regelung und andere ringen um jede Stunde. Das sind die Momente, in denen wir Mediator*innen den Beteiligten wertschätzend einen Spiegel vorhalten können, um gemeinsam zu schauen, was für die Kinder und ebenso für die Eltern der beste Weg ist.
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Vom Infoblatt zur Fachzeitschrift
Wer 2004 schon dabei war, erinnert sich an die verbandsinternen Infoblätter, die der Bundesverband Mediation seinen Mitgliedern kostenlos zur Verfügung stellte. Damals war nicht absehbar, dass daraus die respektable Zeitschrift „Spektrum der Mediation“ werden würde.
Das „Spektrum“, wie die Zeitschrift von Insidern genannt wird, deckt alle Anwendungsgebiete der Mediation ab, von Wirtschaftsmediation bis zur Friedens- und Konfliktforschung. Die Beteiligung und die Förderung des Diskurses zu den Themen Qualifizierung, Qualität, Standards und Praxis in der Mediation gehört zu den Hauptanliegen der Zeitschrift. Alle Mediationsfelder werden in Theorie und Praxis dargestellt und diskutiert. Auf diese Weise nimmt die Zeitschrift einen wichtigen Raum ein im Rahmen von Weiterentwicklung der Mediation in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Qualitätssicherung beginnt erfahrungsgemäß zunächst einmal mit einer profunden Ausbildung. Dann folgt die Praxis, die im Idealfall schon während der Ausbildung im Rahmen von Supervision erprobt werden kann. Danach beginnt die professionelle Reife, bei der eine ständige Begleitung erforderlich ist, und zwar durch Fortbildungen, Teilnahme an Kongressen, kollegialer Intervision und Supervision. Ein wesentlicher Baustein für diesen Reifungsprozess ist die Beschäftigung mit dem Schatz von Themen rund um die Mediation. Und genau dafür gibt es Fachzeitschriften wie das Spektrum der Mediation.
Das Spektrum berichtet aus der Praxis und bringt regelmäßig Grundsatzartikel zu allen einschlägigen fachlichen Fragen der Konfliktbeilegung. Sie kann als Abo bezogen werden, für Studierende und Ausbildungskandidat*innen sogar mit einem Rabatt von 50%. Mitglieder des Bundesverbands Mediation erhalten die Zeitschrift kostenfrei.
Soeben ist das neue Heft Nr. 84 erschienen mit dem vielversprechenden Titel Etwas mehr Farbe bitte – Mein Leben. Meine Entscheidung. Genau das Richtige als Anregung für die Zeit nach den Corona-Erfahrungen.
Übrigens: Die Ausbilder*innen von FairStreiten veröffentlichen regelmäßig in der Zeitschrift. Auch unter diesem Gesichtspunkt lohnt sich ein Blick ins Spektrum!
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Sollen wir unsere Kinder impfen lassen?
Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Dazu gehören die Bedingungen des Alltags wie ein gutes Zuhause, eine gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und nicht zu viel Fernsehen, Freunde und Bildung und all die sonstigen Attribute einer guten und glücklichen Kindheit. Ein weites Element im Rahmen der elterlichen Verantwortung ist die Gesundheit der Kinder, beginnend mit Körperpflege, Vorstellungen beim Kinderarzt, Prophylaxe beim Zahnarzt und so weiter. In der Regel sind sich die Eltern über die einzelnen Maßnahmen für ihre Kinder einig, zumal sie dabei eingebettet sind in einen allgemein gültigen gesellschaftlichen Konsens, was Kindern gut tut und was nicht. Im Freundeskreis und bei den Eltern anderer Kinder werden in der Regel ähnliche Vorstellungen maßgeblich sein. Aber es gibt auch Bereiche, bei denen erhebliche Unterschiede sichtbar werden, die nicht einfach zu überbrücken sind. Sollen unsere Kinder schulmedizinisch oder alternativ behandelt werden und – aktuell im Hinblick auf die Corona-Pandemie ein besonders wichtiges Thema – sollen wir unsere Kinder impfen lassen? Dies sind Fragestellungen, die einer Entscheidung seitens beider Eltern bedürfen, bei der sie sich also einigen müssen. Geschieht dies nicht, muss das Familiengericht entscheiden.
Impfungen sind zweifelsohne mit Risiken verbunden – Nichtimpfungen ebenso. Bei manchen Impfungen wird den Eltern die Entscheidung durch den Gesetzgeber abgenommen. Seit dem vergangenen Jahr gilt - erstmals seit der Aufhebung der Impfpflicht gegen Pocken im Jahr 1983 - eine Masern-Impfpflicht an Schulen und in Kitas, wonach Eltern nachweisen müssen, dass ihre Kinder vor Eintritt in eine Gemeinschaftseinrichtung wie den Kindergarten oder die Schule die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen gegen Masern erhalten haben. Wenn viele geimpft sind, treten die Krankheiten seltener auf, geraten in Vergessenheit und werden damit als harmlos eingestuft. Die möglichen Nebenwirkungen einer Impfung werden dann kritischer gesehen. Infektionskrankheiten, wie z. B. Masern, Keuchhusten, Mumps oder Corona sind aber alles andere als harmloser „Kinderkram“.
In der Mediation lässt sich mit den Eltern erarbeiten, wie gefährlich die Krankheiten sind und was an den Berichten über Nebenwirkungen von Impfungen dran ist. Solche Fragen und Unsicherheiten sind ganz normal. Der Deutsche Ethikrat hat, noch vor Corona, einmal aufgelistet, warum Menschen sich für oder gegen das Impfen entscheiden. Neben dem Vertrauen in die Sicherheit der Vakzine spielt Aufklärung eine große Rolle. Auch über das Verantwortungsgefühl lassen sich Menschen motivieren. Corona war, bei allen gesellschaftlichen Verwerfungen, letztlich eine kollektive Erfahrung. Dies sind Fragestellungen, die man in der Mediation zusammen mit den Eltern thematisieren könnte. Auch ein Perspektivwechsel zu den Interessen und Bedürfnissen der Kinder kann in diesem Zusammenhang eine wichtige Erfahrung für beide Eltern sein.
Aber auch bei der Impffrage muss man realistisch bleiben: Sollten sich die Eltern in der Mediation nicht einigen können, muss das Gericht entscheiden, wem der beiden Eltern es die alleinige Entscheidungsbefugnis übertragen will. Und dabei ist noch völlig offen, wie sich Familiengerichte bei dieser recht neuen Frage im Hinblick auf eine Corona-Impfung positionieren werden.
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
Wechselmodell und Mediation
Die ganze Welt beneidet uns Deutsche um die Düsseldorfer Tabelle, das verlässliche Regelwerk für Kindesunterhalt bei Trennung. Der betreuende Elternteil kann vom anderen, zahlenden Elternteil einen für alle Ewigkeit präzise berechenbaren Barunterhalt verlangen, sauber abgestuft nach Einkommen und Alter der Kinder, ergänzt um unterhaltsrechtliche Leitlinien, damit alles stimmt. Diese Tabelle, herausgegeben und regelmäßig aktualisiert vom Oberlandesgericht Düsseldorf und abgestimmt mit den anderen Oberlandesgerichten und dem Deutschen Familiengerichtstag, gibt es seit 1962. Damals war das Bild der Familie aber ein anderes als heute. Der eine Elternteil , meist die Mutter, versorgte die Kinder und der andere Elternteil, meist der Vater, war ein sog. Wochenendvater, der seine Kinder jedes zweite Wochenende bei sich hatte. Seitdem hat sich viel getan. Väter übernehmen zunehmend Verantwortung für ihre Kinder, sowohl im Zusammenleben als auch bei Trennung. Und Mütter sind froh, wenn sie bei der Kindesversorgung entlastet werden, um berufstätig sein zu können. In der DDR galt ohnehin schon immer ein anderes Rollenmodell, da Frauen dort wesentlich mehr berufstätig waren als im Westen der Republik. Und dies muss natürlich Auswirkungen auf die Berechnung des Kindesunterhalts haben.
Immer wieder pochen Elternteile darauf, dass sie die gemeinsamen Kinder doch in gleichem Umfang wie der andere Elternteil betreuen, was zur Folge hat, dass die Barunterhaltspflicht damit entfällt; beim sogenannten paritätischen Wechselmodell funktioniert die Berechnung der Düsseldorfer Tabelle nämlich nicht mehr. Wenn die Eltern unterschiedlich viel verdienen, kann dies zu deutlichen Missverhältnissen führen. Und gerade hier entfaltet die Mediation eine wunderbare Möglichkeit, nach fairen und gerechten Regelungen zu suchen. Das Wohlergehen der Kinder, bisherige Absprachen und die Notwendigkeit, für die betroffenen Kinder bei beiden Eltern ein angemessenes Zuhause zu schaffen, all dies sind Bezugspunkte für gemeinsame Entscheidungen jenseits vom Recht und von Tabellen. Auch wenn die Betreuung der Kinder und der Kindesunterhalt eigentlich unabhängig voneinander zu beurteilen sind, hängen diese Fragestellungen doch gerade beim Wechselmodell eng miteinander zusammen. In der Mediation besteht die Chance, beide Aspekte im Interesse der gesamten Familie zu beleuchten und nach einem fairen Ausgleich zu suchen.
Autor: Christoph C. Paul (Ausbilder)
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